Ich habe Tina Wieczorek von „Farbband Lektorat“ auf einer Fortbildung des VFLL kennengelernt. Irgendetwas sagte sie, woran ich merkte: „Die hat sich schon viel mit KI beschäftigt!“. Ich mochte ihre Art und fragte sie, ob wir uns mal über künstliche Intelligenz im Lektorat austauschen wollen – und überhaupt bei der Textarbeit. Sie sagte sofort ja.
Und hier ist es, das Ergebnis.
Hi Tina, wie kam es denn, dass du dich mit dem Thema KI beschäftigt hast?
Hallo Anja, ich war schon immer sehr technikaffin und die Vorstellung, dass wir vielleicht bald alle unseren persönlichen virtuellen Assistenten haben könnten, hat mich fasziniert. Und als Kultur- und Buchwissenschaftlerin war ich natürlich besonders neugierig darauf, wie KI unseren Alltag und insbesondere die Buchbranche verändert.
Inhaltsverzeichnis
Nutzen von KI
Du lektorierst ja einerseits Fantasyromane und andererseits Abschlussarbeiten, also ganz unterschiedliche Arten von Texten. Nutzt du selbst KI in deinem Berufsalltag? Oder nur privat?
Ich nutze KI sowohl privat als auch beruflich. Während ich privat recht schnell damit begonnen hatte, mich bei alltäglichen Dingen unterstützen zu lassen, zum Beispiel bei Rezeptvorschlägen, Reiseplanungen oder der Partyorganisation, habe ich etwas länger gebraucht, um zu erkennen, wo ich KI in meinem Berufsalltag sinnvoll einsetzen kann.
Mittlerweile nutze ich KI auch sehr gerne für Aufgaben rund um das Thema Marketing. Ich mache unter anderem regelmäßig mit ChatGPT ein Zielgruppeninterview, um zu sehen, ob ich meine Angebote noch besser auf meine Kundschaft zuschneiden kann. Auch bei der Erstellung meiner Webseite und Visitenkarte habe ich die in die jeweiligen Programme integrierte KI genutzt. Hier war der Erfolg allerdings nur mäßig, das Ergebnis konnte mich nicht überzeugen. Aktuell nutze ich ChatGPT, um meinen Redaktionsplan für Social Media zu optimieren.
Weitere Bereiche, in denen ich KI beruflich nutze, sind Recherche sowie eine Grammatik- und Rechtschreibprüfung.
Ich verwende ein Rechtschreibkorrektur-Programm sowie KI zum Recherchieren, zum schnelleren Googeln quasi. Kennst du den Duden Korrektor, LanguageTool und perplexity.ai?
Ja, kenne und nutze ich. Wobei ich mich bei den Rechtschreibkorrektur-Programmen mittlerweile auf LanguageTool festgelegt habe. Ich hatte anfangs einige Programme ausprobiert und hiermit kam ich am besten zurecht.
Perplexity.ai nutze ich ebenfalls zum schnellen Recherchieren. Hier unterscheide ich allerdings sehr stark, was ich recherchieren möchte. Wenn ich Fakten aus zuverlässigeren Quellen benötige, dann nutze ich perplexity.ai, wenn ich Informationen brauche, die eher aus dem Bereich Popkultur oder Fantasy-Fandom stammen, dann greife ich lieber auf ChatGPT zurück.
Ja, perplexity.ai liefert auch Quellen, die ich eh bei meinem Faktencheck beim Medizinlektorat nutze, das ist super und spart Zeit. Allerdings sollte man trotzdem prüfen, ob das von perplexity.ai Gesagte auch wirklich Sinn ergibt. Ich habe mal die Erfahrung gemacht, dass es nicht plausibel war, was diese KI ausspuckte.
Werden in der Zukunft noch Lektor:innen gebraucht?
Glaubst du, dass die Verlage oder auch Selfpublisher:innen inzwischen die Unterstützung von uns Lektorierenden weniger benötigen als vor KI-Zeiten?
Nein, das glaube ich nicht. Wir Lektorierende sind, noch?, weitestgehend unersetzbar, vor allem fachlich und emotional. Damit meine ich nicht nur, dass Autor:innen uns für Feedback, Motivation und auch mal einen kleinen Schubs in die richtige Richtung benötigen, sondern auch, dass eine KI weder zwischen den Zeilen lesen kann, noch Emotionen versteht. Somit kann sie auch nicht nachvollziehen, welche Wirkung ein Text auf Lesende hat. Hierfür braucht es einfach ein menschliches Auge und einen menschlichen Verstand. … Sicher werden sich Aufgabenbereiche aber verändern und manche Aufgaben werden komplett wegfallen. Das wird aber wahrscheinlich eher Bereiche betreffen, die mühselige Fleißarbeit beinhalten. Wenn Autor:innen KI sinnvoll als Hilfsmittel einsetzen, kann sich dadurch natürlich auch unsere Arbeit an einem Text deutlich verkürzen. Hierin sehe ich sogar die Chance, dass ein professionelles Lektorat für eine größere Anzahl unserer Kund:innen attraktiv werden kann. Für unsere Kundschaft gilt, wie beim Steuerberater: Wer gute Vorarbeit leistet, zahlt weniger. Und wir können mehr Leuten in derselben Zeit unsere Text-Dienstleistung anbieten. Des Weiteren bin ich mir auch sicher, dass sich durch KI für uns neue Tätigkeitsfelder ergeben werden, sodass unsere Kompetenz weiterhin benötigt werden wird.
Ja, so sehe ich das auch. An welche Tätigkeiten denkst du, bei denen wir zukünftig Verlage unterstützen können?
Da wir davon ausgehen können, dass Verlage sehr wahrscheinlich in den nächsten Jahren auch immer mehr mit Unterstützung von KI arbeiten werden, ändern sich dadurch natürlich auch die Anforderungen an Autor:innen. So kann man beispielsweise davon ausgehen, dass spätestens in einigen Jahren eingesendete Manuskripte durch eine KI vorsortiert werden. Hier könnten wir mit unserer Expertise den Autor:innen helfen, ihre Einreichung im Vorfeld so zu optimieren, dass die KI diese als potenziell passend für den Verlag und eine Veröffentlichung geeignet einstuft.
Ebenso halte ich es für wahrscheinlich, dass Fach- und Sachtexte zeitnah so angepasst werden sollen, dass sie von einer KI gelesen und entsprechend nach Schlagworten archiviert werden. Ähnlich wie man heute schon sehr viele Texte für Suchmaschinen optimiert. Um das optimal umzusetzen, könnte hier ein entsprechendes Lektorat sinnvoll sein.
Da ich die Frage nach der Zukunft unseres Berufsstandes natürlich sehr spannend finde, dachte ich, ich gebe die Frage auch gleich mal an eine KI weiter. ChatGPT sieht in Zukunft noch unter anderem folgende neue Tätigkeitsfelder für unseren Beruf:
- Beratende Tätigkeit beim Prompt-Engineering für Autoren, damit diese KI sinnvoll einsetzen können.
- Qualitätssicherung von KI-generierten Manuskripten als eine neue Art von „KI-Sensibility Reading“.
- Beratung hinsichtlich Fragen des Urheberrechts, Plagiatsrisiken und natürlich der Transparenz beim Einsatz von KI.
Vorarbeit der Autorinnen und Autoren mittels KI ?
Ich bin übrigens auch froh, wenn meine Kund:innen mit KI vorgearbeitet haben, dann kann ich mich beim Lektorat auf das Wesentliche konzentrieren, den medizinisch-fachlichen Inhalt. Das geht dir ja bei deiner Arbeit genauso. Da wären wir auch gleich bei der nächsten Frage, ich bin sehr gespannt auf deine Antwort, Tina: Merkst du es, wenn ein Text mit KI erstellt wurde?
Dazu ein ganz klares Jein. Natürlich gibt es einige Anhaltspunkte, an denen man KI-generierte Texte erkennen kann. Meist sind diese Texte fast schon zu perfekt und klingen sehr vollmundig.
Ja, oder?! Und alles liest sich recht hübsch, zunächst. Es sind fast keine Rechtschreibfehler drin, dafür aber viele Floskeln, die sich auch noch oft wiederholen.
Das ist wahr, Anja. Aber wenn man dann fachlich tiefer einsteigt, dann denkt man oft: „Hä, wie jetzt?“ Es gibt im Netz übrigens auch mehrere Möglichkeiten, einen Text auf den Einsatz von KI prüfen zu lassen. Wusstest du das? Größtenteils wird man aber vorweg schon gewarnt, dass nur bestimmte LLMs, also Large Language Models, erkannt werden und das Ergebnis keinesfalls rechtssicher ist. Ich habe das aus Interesse selbst mal getestet und sowohl KI-generierte Texte als auch eigene Arbeiten geprüft, mit dem Ergebnis, dass die Trefferquote zwar nicht abschließend aussagekräftig war, eine Tendenz konnte man aber trotzdem ablesen. So wurde mir beispielsweise bei einem zu 100 % von KI generierten Text ein KI-Anteil von 75 % angegeben, bei einem selbst erstellten lag der Anteil bei unter 1 %.

Das ist ja beeindruckend. Wie heißt das Programm, das du da verwendet hast? Ist es frei verfügbar?
Ich habe tatsächlich einfach gegoogelt und bin recht schnell auf einige kostenlose Programme bzw. Webanwendungen gestoßen, die ich einfach ausprobiert habe. Da ich den Test mit meinen persönlichen Texten gemacht habe, habe ich das Thema Datenschutz in diesem Fall vernachlässigt. Mit fremden Texten sollte man hier aber sehr vorsichtig sein und nur auf Anbieter setzen, die DSGVO-konform arbeiten. Die sind dann allerdings meist nicht kostenlos.
Das ist so eine Sache, das Kostenlose. Man zahlt nämlich immer, wenn man eine KI benutzt, wenn auch nicht monetär. Denn bei Basisversionen, also denen, die man kostenfrei nutzen kann, zahlt man auch seinen Preis – nämlich mit seinen Textdaten, die man der KI zum Auslesen zur Verfügung stellt. Das darf man nicht vergessen. Ich benutze daher bei meiner Arbeit keine geschenkten KI-Tools.
Ich auch nicht. Nun noch mal zurück zu deiner Frage, ob ich persönlich erkenne, ob ein Text mittels KI erstellt wurde: Meine persönliche Erfahrung zeigt mir, dass es zunehmend schwieriger wird, einen KI-generierten Text zu erkennen, je mehr Autor:innen beim Erstellen eines Textes mithilfe der KI eigene Gedanken, Anmerkungen, Umformulierungen und persönliche Noten haben einfließen lassen. Einige LLMs können sogar den Schreibstil einer Person imitieren, wenn sie im Vorfeld mit entsprechenden Textproben gefüttert wurden. Da ist es dann wahrscheinlich kaum noch möglich, einen Unterschied zwischen einem KI-Text und einem händisch erstellten zu erkennen.
Das ist interessant. Grundsätzlich glaube ich aber auch, dass es relevant ist, welche Art Literatur mithilfe von KI geschaffen wird. Bei Beschreibungen von Landschaften ist KI sicher unschlagbar, bei Fach- und Sachtexten braucht der Autor oder die Autorin allerdings schon Fachwissen. Nur KI zu verwenden, das reicht nicht.
Das stimmt! Man muss eigentlich sehr genau wissen, was man mit der KI erarbeiten möchte, und muss die Ergebnisse regelmäßig überprüfen.
Tipps für Textverfassende
Tina, lass uns doch mal überlegen, was wir den Autorinnen und Textverfassern mit auf den Weg geben können!
Ruhig mutig sein und einfach mal ausprobieren! Bei vielen Anbietern kann man mit kostenlosen Versionen testen, ob das jeweilige Programm überhaupt etwas für einen ist und zu den persönlichen Bedürfnissen passt. Super hilfreich sind ChatGPT und Co zum Beispiel beim Erstellen von Textgliederungen oder beim Formulieren von Überschriften. Wenn man die KI immer wieder anweist, neue Vorschläge zu unterbreiten, hat man bald ein Ergebnis, auf das man vielleicht selbst nie gekommen wäre. Das ist schon toll. Allerdings muss man in diesem Zusammenhang leider auch erwähnen, dass der Umgang mit solchen Programmen immer auch etwas Umsicht und Übung benötigt. Um gute Ergebnisse zu erzielen und die KI das machen zu lassen, was man von ihr möchte, muss man lernen, Anweisungen, also die sogenannten Prompts, möglichst genau und im Hinblick auf die Zielgruppe zu formulieren. Ebenso ist es wichtig, dass man auf einen höflichen Umgang mit der KI achtet, da dies die Qualität ihrer Antworten beeinflussen kann. Außerdem hat das eventuell sogar Auswirkungen auf den Ort, an dem die KI nach passenden Antworten sucht, habe ich neulich mal in einer Publikation gelesen. Des Weiteren muss man sich auch bewusst sein, dass eine KI nicht immer zuverlässig arbeitet. Wenngleich das Ergebnis einer Anfrage mit Quellen belegt wird, ist hier Vorsicht geboten. Teilweise sind die Antworten einer KI schlicht falsch, die Quellen sind nicht existent. Man sagt, die KI halluziniert. Außerdem werden bei Rechtschreibprüfungen auch nicht immer alle Fehler angezeigt. Mein Fazit: Eine KI kann also ein tolles Hilfsmittel sein, man muss aber sehr aufmerksam mit ihr arbeiten.
Dass sogar die Höflichkeit bei der Prompt-Formulierung eine Rolle spielt, das hätte ich nie gedacht! Danke sehr, liebe Tina, es war sehr spannend, sich mit dir auszutauschen!
Ich danke dir auch! Vielleicht sollten wir dieses Gespräch mittelfristig wiederholen und schauen, was sich bis dahin alles durch den Einsatz von KI verändert hat und ob es vielleicht sogar überraschende Entwicklungen gab?
Ja, das ist eine gute Idee! So machen wir es. Bis bald, Tina!
Tina Wieczorek von Farbbandlektorat studierte Volkskunde, Geschichte, Psychologie – und wegen Ihrer Liebe zum geschriebenen Wort Buchwissenschaften.
Als Lektorin steht sie auch Unternehmen, aber hauptsächlich Selfpublisher:innen und Studierenden zur Seite. Sie lebt mit ihrer Familie in München, ist seit wenigen Monaten Kandidatin im VFLL und hört beim Arbeiten gerne Metal.
Das Beitragsbild, wie auch die drei Bilder im Text, habe ich mit der KI Adobe Firefly, der kostenlosen Version, erstellt. Ich habe etliche Prompt-Versuche unternommen, um ein futuristisches Setting zu erzielen, mit zwei Frauen, die aussehen wie Tina und ich. Es hat einfach nicht funktioniert! Mal trugen beide einen Dutt, mal waren beide schwarzhaarig oder eine schwarzhäutig oder sie trugen Kleidung, die mir nicht gefiel. Es gab immer etwas auszusetzen. Das ist aber mit anderen Bilder generierenden KIs offenbar nicht anders. Auch hier ist das Bild fehlerhaft. Zählen Sie mal die Finger!
