Na, was sagen Sie zum Titelbild dieses Beitrags? ÄRZT*INNENBLATT geht? Oder unter aller Kanone? Seien Sie gespannt! Nach dem Lesen dieses Artikels sind Sie schlauer.
Inhaltsverzeichnis
Medizinerinnen und Mediziner, Obacht!
Hier soll es heute also nicht um Gendermedizin gehen, sondern um das Gendern in medizinischen Texten. Für alle Leute, die politisch korrekt schreiben wollen – oder müssen. Dafür habe ich einige Quellen, die Sie ganz unten finden, zurate gezogen. So gibt es die amtlichen Genderschreibweisen und die, die schon in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind, losgelöst von orthografischen Regeln. Ich möchte versuchen, Ihren Blick in diesem Gender-Dschungel zu schärfen – dahin gehend, ob eine Schreibung „funktioniert“ oder nicht. Daher habe ich die Begriffe nach dem Ampelsystem eingefärbt. Grün sind die geeignetsten Schreibweisen, rot habe ich die Wörter geschrieben, die man nicht verwenden sollte.
Der in den Medien allgegenwärtige Trend zum Gendern geht natürlich auch an uns Medizinerinnen und Medizinern nicht spurlos vorüber. Sicherlich haben Sie auch schon in so mancher Fachzeitschrift gesehen, dass Gendersternchen, Genderdoppelpunkt und Co. immer öfter benutzt werden. Man kann es mögen oder nicht: Die Verlage und Institutionen wollen mit der Zeit gehen, wollen die Frauen und idealerweise auch alle anderen Geschlechter nicht „nur so mitmeinen“, indem das generische Maskulinum, also die männliche Form, verwendet wird. Das ist ja auch vollkommen in Ordnung. Wie meine Meinung dazu ist, fragen Sie sich vielleicht? Neulich habe ich das Thema Gendern bereits in einem Blogartikel aufgegriffen (Schwierig: Gendern in der Medizin). Darin erkläre ich, dass ich Texte, in denen die männliche Form verwendet wird, immer dann besonders schätze, wenn das Ziel, das Heilen, im Vordergrund steht. Also in streng wissenschaftlichen Texten. Da sehe ich nämlich vor meinem inneren Auge nicht Männer in weißen Kitteln, sondern „geschlechtslose heilende Wesen“. Ansonsten, vor allem wenn es um die Kunden- oder Patientenansprache geht, schreibe ich am liebsten beide Geschlechtervarianten aus, verwende also die Doppelform:
- Ärztinnen und Ärzte
- Assistentinnen und Assistenten
- Kolleginnen und Kollegen
- Medizinerinnen und Mediziner
- Patientinnen und Patienten
Muss ich „Kunden“ und „Patienten“ in der gerade erwähnten „Kunden- oder Patientenansprache“ nicht eigentlich gendern? Da muss ich an dieser Stelle mal spoilern: Nein, das müssen Sie nicht. Die Erklärung dazu finden Sie im Abschnitt „Genderrelevanz“.
Und was ist, wenn es eng wird?
Die weibliche und männliche Form auszuschreiben, Sie ahnen es, kostet viel. Nämlich Platz. Und viel Zeit zum Lesen. Es ist nervig, wenn Sätze unendlich sperrig werden, wenn es zum Beispiel heißt:
„Ärztinnen und Ärzte als Inhaberinnen und Inhaber
der Praxis Heilermann mit ihren Assistentinnen und Assistenten
sind hervorragende Medizinerinnen und Mediziner und
werden von all ihren Kolleginnen und Kollegen der Stadt geschätzt.“
Mühsam. Anstrengend. So etwas will niemand lesen. Da müssen pragmatischere Lösungen her. Gute und knackige Alternativen. Im Folgenden führe ich ein paar Möglichkeiten auf.
Genderneutrale Begriffe
Sachbezeichnungen
- Fachkraft
- Leitung
- Personal
- Quelle
- Team
Substantivierte Partizipien
- die Mitarbeitenden
- die Studierenden
Substantivierte Adjektive
- die Betroffenen
- die Kranken
Generische Substantive
… ohne Möglichkeit der Veränderung in ein anderes Geschlecht (Movierung):
- Baby
- Kind
- Leiche
- Mensch
- Mitglied
- Person
- Prüfling
- Säugling
Der Vorteil dieser neutralen Formen ist, dass männliche, weibliche und nicht binäre Menschen, die also trans- oder intergeschlechtlich sein können, einbezogen werden. Doch manchmal klingt das zu unpersönlich. Deshalb sollen jetzt also die verkürzten Schreibweisen zur Sprache kommen. Damit sollen zumindest das männliche und das weibliche, möglichst aber auch jedes weitere Geschlecht berücksichtigt werden. Es besteht die Möglichkeit, die geschlechtliche Vielfalt durch Satz- und Sonderzeichen zu verdeutlichen. Das heißt: Jetzt wird es etwas kniffelig, gerade für Ärzte/-innen, Ärzt*innen, Ärzt:innen, Ärzt_innen. Der Grund ist der Umlaut, das „Ä“, in unserer Berufsbezeichnung. Los geht’s!
Geschlechtergerechte verkürzte Varianten (Satz- und Sonderzeichen)
Amtlich zulässig: Schrägstrich
Amtlich zulässig heißt: Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat (nur) den Schrägstrich ins Amtliche Regelwerk als Genderzeichen aufgenommen, das Schulen und Behörden vorschreibt, wie sie lehren bzw. schreiben müssen. Andere verkürzte Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen werden dort aktuell (26.03.2021; siehe Quellen) nicht empfohlen.
Amtlich korrekt ist also, neben der Schreibweise in Klammern (Duden Band 9; siehe unten), nur die Schreibung mit dem Schrägstrich:
- Ärztin/Arzt bzw. Ärztinnen/Ärzte
- Patientin/Patient bzw. Patientinnen/Patienten
Noch kürzer ist die Schrägstrichschreibung mit dem Ergänzungsbindestrich:
- Mediziner/-innen bzw. Mediziner/-in
- Mitarbeiter/-innen bzw. Mitarbeiter/-in
Hier kann man nicht „in einem Rutsch“ durchlesen:
- Kollegen/-innen
- Patienten/-innen
- Ärzte/-innen
Wenn das Anhängsel (Suffix) der männlichen Form gekappt wird, um das „-in“ oder „-innen“ an den Wortstamm anzuhängen, ist das keine korrekte Schreibweise, trotzdem liest man oft:
- Kolleg/-innen („en“ von „Kollegen“ ist in „innen“)
- Patient/-innen („en“ von „Patienten“ ist in „innen“)
- Ärzt/-innen („e“ bei „Ärzte“ ist mitten in „innen“)
Für „Arzt“ und „Ärztin“ (also den Singular) funktionieren die Schreibweisen mit Bindestrich nicht, denn es gibt weder „der Ärzt“ noch „die Arztin“:
- Ärzt/-in oder Arzt/-in (Umlautproblem)
Außerdem ist nicht korrekt:
- Kollege/-in („e“ kommt in der weiblichen Form nicht vor)
Amtlich nicht zulässig: Schrägstrich ohne Ergänzungsbindestrich
Nicht amtlich ist diese Schreibweise, bei der der Ergänzungsbindestrich weggelassen wird. Im Duden (Band 9) steht, dass der Ergänzungsbindestrich eigentlich gesetzt werden muss, aber aus typografischen Gründen oft darauf verzichtet wird. Gut lesbar ist:
- Mediziner/in
- Mitarbeiter/in
Diese Varianten mit dem gekappten Anhängsel der männlichen Form sind wieder – wie bei der Schreibweise mit dem Ergänzungsbindestrich – streng genommen nicht korrekt, aber man liest oft:
- Ärzt/innen („e“ von „Ärzte“ ist mitten in „innen“)
- Kolleg/innen („en“ von „Kollegen“ ist in „innen“)
Ganz klar falsch ist:
- Kolleg/in („e“ von „Kollege“ fehlt)
- Ärzt/in oder Arzt/in (Umlautproblem)
Amtlich nicht zulässig, aber praktisch: Genderstern und Co.
Am weitesten verbreitet: der Stern (alle Geschlechtsidentitäten inbegriffen)
Den Stern, auch Asterisk genannt (macht Ihr Hirn beim Lesen auch immer „Asterix“ daraus?), kennt jeder und jede von uns. Er kommt in vielfältigen Zusammenhängen vor, nicht nur in der Mathematik und in der Informatik, auch im Textbereich: Er weist auf Fußnoten hin, in Chats korrigieren wir damit Schreibfehler, er steht für „geboren am“ etc. Seit ca. 2004 wird der * auch als Genderstern oder verniedlichend als Gendersternchen verwendet. Er ist das am häufigsten verwendete Genderzeichen und Platzhalter für alle trans-Formen.
- jede*r Mediziner*in
- ein*e Patient*in
- Student*innen
Schlanke Variante: der Genderdoppelpunkt (alle Geschlechtsidentitäten inbegriffen)
Seit 2015 soll es den Genderdoppelpunkt geben, heißt es. Und dieser begegnet einem im Alltag zunehmend mehr, so mein Eindruck. Ich finde dessen Verwendung als Genderzeichen sehr elegant, weil dieses Zeichen schmal und damit nicht aufdringlich ist, aber im Textbild dennoch auffällig genug. Diese Variante soll auch SEO-tauglich sein. Aber ob das tatsächlich so ist? Fakt ist ja, dass sich die Suchmaschinen-Algorithmen gefühlt ständig ändern. Wichtig scheint auf jeden Fall in Webtexten zu sein – neben vernünftigem Content natürlich –, möglichst gar keine Zeichen innerhalb eines Wortes zu benutzen. Übrigens: Die meisten User googeln die männliche Variante, also zum Beispiel „Lektor“. Wenn ich mich auf meiner Internetseite als Lektorin bezeichne und auch sonst das Wort Lektor nicht erwähnt wird, rankt meine Website schlechter bei der Suchanfrage „Lektor“.
Zurück zum Genderdoppelpunkt. Schön liest sich:
- jede:r Mediziner:in
- ein:e Patient:in
- Student:innen
Aussterbende Formen? Klammern, Binnenmajuskel und Gap
Ich habe die Beobachtung gemacht, dass die Klammerschreibweise sowie die Binnenmajuskel (also das Binnen-I) und der Gendergap im alltäglichen Sprach- bzw. Lesegebrauch kaum noch benutzt werden.
Klammerschreibweise (amtlich, nur Männer und Frauen inbegriffen)
Diese Schreibweise ist nicht mehr sehr gebräuchlich. Sie impliziert, dass die weibliche Form weniger wichtiger ist als die männliche, heißt es im Duden (Band 9).
- jede(r) Mediziner(in)
- ein(e) Patient(in)
- Student(inn)en
Binnen-I (nicht amtlich; nur Männer und Frauen inbegriffen)
Frauen und Männer können so in einem Wort benannt werden. Ich persönlich finde diese Variante mit dem großgeschriebenen „I“ unglücklich gewählt, denn man kann es in klein gedruckten Texten kaum vom kleinen „i“ unterscheiden. Trans- und intergeschlechtliche Menschen werden außerdem mit dieser Schreibvariante ausgeschlossen.
- jedeR MedizinerIn
- einE PatientIn
- StudentInnen
Gendergap (nicht amtlich; alle Personen inbegriffen)
Mit der Lücke vor der Endung „-in“ soll dem Diversen im wortwörtlichen Sinne mehr Raum gegeben werden.
- jede_r Mediziner_in
- ein_e Patient_in
- Student_innen
Richtig schwierig: Artikel und Pronomen gendern
Bei den verkürzten Schreibweisen wird im Singular der Artikel auch entsprechend der Kurzform gegendert. Das ist zwar korrekt, aber nicht besonders schön. In den Beispielen oben (einer/eine bzw. jeder/jede) wird es ja bereits ersichtlich. Wird beispielsweise mit dem Schrägstrich gegendert, muss dieser auch beim Artikel verwendet werden:
- der/-ie Patient/-in
- sein/-e Lektor/-in
- des/-r Lesers/-in („s“ kommt in der weiblichen Form nicht vor)
- Teilen Sie Nebenwirkungen Ihrem/-r Arzt/Ärztin mit.
Ausweichen kann man auf diese Formen, die aber nicht sehr verkürzend gegenüber der Doppelnennung sind:
- der/die Patient/Patientin
- sein/seine Lektor/Lektorin
- des/der Lesers/Leserin
- Teilen Sie Nebenwirkungen Ihrem/Ihrer Arzt/Ärztin mit.
Artikel im Plural sind stets einfacher zu gendern, da er entweder sowieso wegfällt oder einheitlich „die“ (für Maskulinum und Femininum) verwendet wird:
- Patienten/-innen oder Patient/innen
- die Patienten/-innen oder die Patient/innen
Beim Genderdoppelpunkt beispielsweise sieht die verkürzende Form im Hinblick auf die Artikel im Singular folgendermaßen aus:
- der:ie Patient:in
- sein:e Lektor:in
- des:r Lesers:in („s“ kommt in der weiblichen Form nicht vor)
- Teilen Sie Nebenwirkungen Ihrem:r Arzt:Ärztin mit.
Wenn Sie nicht sehr stark verkürzen möchten, sind diese Varianten möglich:
- der:die Patient:in und der:die Patient:Patientin
Stark verkürzend hingegen (wenn auch orthografisch nicht korrekt) ist es mit abgekürztem bestimmtem Artikel für „des“ bzw. „der“:
- der Befund d. Patienten/-in
Mit dem Genderzeichen funktioniert das aber nicht:
- der Befund d. Patient:in (denn die männliche Variante lautet ja „des Patienten“)
Merke Prüfen Sie bei jeder Formulierung neu grammatisch und orthografisch, ob Sie verkürzt gendern können oder ob Sie eine andere Möglichkeit finden müssen! |
Genderrelevanz: Man muss nicht immer gendern
Hat man sich entschieden, in seinem Text zu gendern, muss man dieses nicht an jeder Stelle tun. Zunächst kann man, wie oben erwähnt, genderneutrale Begriffe verwenden. Aber manche Personenbezeichnungen sind auch weniger genderrelevant als andere. Einige Wörter muss/sollte man gendern (hohe Genderrelevanz, Beispiel 1), andere eher nicht (niedrige Genderrelevanz, Beispiel 2).
- Beispiel 1: Meine Gynäkologin ist Dr. Anneliese Müller.
In Beispiel 1 wäre „Gynäkologe“ unpassend, denn das Geschlecht ist durch den Eigennamen eindeutig.
- Beispiel 2: Ich sitze im Wartebereich einer Klinik, auf einem Flur, und warte darauf, dass ich aufgerufen werde. Andauernd eilt ein Arzt vorbei.
Bei Beispiel 2 handelt es sich nicht um spezifische Personen, sondern einfach um Leute in weißen Kitteln, die geschäftig auf diesem Flur unterwegs sind. Man muss also nicht unbedingt gendern. Gendersensibel wäre es allerdings schon, eilende Ärztinnen und Ärzte zu erwähnen.
Man sollte auch die sogenannte semantische Kongruenz beachten. Das hier funktioniert nicht besonders gut, da stutzt man beim Lesen:
- Unsere neue Ärztin ist ein geschickter Chirurg.
Das liest sich eindeutig besser:
- Unsere neue Ärztin ist eine geschickte Chirurgin.
- Unsere Ärztinnen und Ärzte sind geschickte Chirurginnen und Chirurgen.
Zum letztgenannten Satz: Noch besser ist es umzuformulieren, um eine der beiden Doppelnennungen zu vermeiden:
- Unsere Ärztinnen und Ärzte sind chirurgisch geschickt.
- Unsere Ärztinnen und Ärzte können geschickt operieren.
Das Gendern ist bei zusammengesetzten Wörtern (Komposita), die eine Sache, einen Gegenstand, bezeichnen, weniger relevant. Bei den unten aufgeführten Beispielen liegt also die Betonung auf dem zweiten Teil des Wortes: Beruf, Blatt, Koffer etc.
- Arztberuf
- Ärzteblatt
- Arztkoffer
- Kundentoilette
- Patientenregister
- Patientenverfügung
- Patientenzahl
- Tierarztausweis
- Zahnarztstuhl
Sie erkennen es wieder? Ärzteblatt! Damit sind wir wieder beim Titelbild dieses Artikels. ÄRZT*INNENBLATT ist vom Redaktionsteam der gleichnamigen Zeitschrift, Ausgabe Juni 2021, also nicht ganz ernst gemeint, wie es auch dort im Editorial auf S. 5 heißt (siehe Quellen).
Gendern für sehbehinderte und blinde Menschen
Es ist im Grunde ganz einfach: Damit Screenreader, also digitale Assistenzsysteme, die Texte vom Bildschirm korrekt vorlesen können, sollen weibliche und männliche Personenbezeichnungen ausformuliert werden. Möchte man aber unbedingt die verkürzte Form verwenden, ist die mit dem Genderdoppelpunkt am besten vorlesbar. Bei „Ärzt:innen“ macht der Screenreader einfach eine (gar nicht mal so kurze) Pause. Das klingt dann so: Ärzt[……]innen. Im Gegensatz zu „Ärzt*innen“ oder „Ärzt_innen“, wo das Zeichen mitgelesen wird: ÄrztSterninnen bzw. ÄrztUnterstrichinnen.
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) ist da anderer Meinung, hat aber wohl vor allem die sehbehinderten Menschen im Blick, die selber lesen können. Der Verband schreibt auf seiner Website (siehe Quellen):
„Falls jedoch mit Kurzformen gegendert werden soll, empfiehlt der DBSV, das Sternchen zu verwenden, weil es laut Veröffentlichungen des Deutschen Rechtschreibrates die am häufigsten verwendete Kurzform ist und so dem Wunsch nach einem Konsenszeichen am nächsten kommt. Zudem ist davon auszugehen, dass Doppelpunkt und Unterstrich für sehbehinderte Menschen schlechter erkennbar sind als das Sternchen.“
Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)
Gendern in Leichter Sprache
Texte in Leichter Sprache sind für Menschen mit kognitiven Einschränkungen sowie für funktionelle Analphabeten geschrieben. Die Wörter sind unkompliziert, die Sätze einfach und kurz; es werden viele Verben benutzt und Nebensätze sind tabu – nur um mal ein paar Regeln für Leichte Sprache zu nennen. Das Gendern mit dem Verwenden von Genderstern und Co. macht die Wörter zu kompliziert. Einfachheit hat bei dieser Zielgruppe höchste Priorität, das ist viel wichtiger als sich gendersensibel auszudrücken. Aus diesem Grund ist es hilfreich, am Anfang eines Textes zu erwähnen, dass bei der verwendeten männlichen Form die Frauen immer mitgemeint sind. Ansonsten sind neutrale Begriffe wie Mensch oder Person ideal, Lehrkraft oder Mitarbeitende hingegen nicht. Möglich ist auch die Nennung beider Geschlechter, auch wenn das wiederum den Satz verlängert – was ja in der Leichten Sprache nicht gewollt ist. Wenn Beidnennung, dann sollte die kürzere, also männliche Form vorne stehen, weil diese besser zu lesen ist und die Lesenden wissen, was kommt. (Übrigens: Wenn Sie mehr über Leichte Sprache wissen möchten, können Sie sich ebenfalls auf meiner Website informieren.)
Ganz kreativ, pragmatisch und korrekt: Wie Sie auch noch geschlechtergerecht schreiben können
Ganz generell kann man sagen: Verkürztes Gendern geht wie bereits erwähnt am ehesten im Plural, weil dann die Artikelvielfalt wegfällt, man braucht nur das „die“ oder gar keinen Artikel. Aber wie soll man dabei nur allen und allem gerecht werden – allem voran der Sprache (die steht für mich als Lektorin natürlich im Vordergrund), also der Grammatik und der guten Lesbarkeit. Aber man (wie unsinnig, jetzt „frau“ schreiben zu wollen) möchte ja natürlich auch jeder Frau, jedem Mann und allen Intergeschlechtlichen Wertschätzung entgegenbringen! Versuchen Sie es daher doch mit der persönlichen Anrede, wenn es passt. Statt „Besucher gehen bitte hier entlang“ können Sie Gehen Sie bitte hier entlang schreiben.
Eine andere Möglichkeit wäre, das generische Femininum zu verwenden. Bei etwa 90 % aller, die Tiermedizin studiert haben, steht in der Geburtsurkunde das weibliche Geschlecht. Da läge es doch nahe, immer von „Tierärztinnen“ zu reden. Männer können sich ja mitgemeint fühlen. Aber wollen wir das, mal ehrlich? Das oft ins Feld geführte Argument lautet ja: „Jahrzehntelang waren immer die Frauen mitgemeint, wenn das generische Maskulinum verwendet wurde.“ Jetzt, so Befürworterinnen, seien halt immer die Männer mitgemeint, wenn das generische Femininum verwendet wird. Aber bitte, so etwas wie sprachliche Rache ist doch fehl am Platze!
Es gibt noch andere Optionen, sich geschlechtsneutral auszudrücken. Wie wäre es damit: Kränkelnde (substantiviertes Adjektiv) sollten nicht zur Arbeit gehen. Oder mit diesem Stilmittel: Wer krank ist (Relativsatz), sollte sich ins Bett legen. Übrigens: Haben Sie es bemerkt? Ein paar Zeilen weiter oben, in dem Satz mit der Geburtsurkunde, habe ich es vermieden, die Berufsbezeichnung – Tierärztin/Tierarzt – zu nennen, indem ich ebenfalls einen Relativsatz gebildet habe. Das sind doch sehr elegante Varianten, um die Geschlechterformulierung zu umgehen, oder?
Leider entstehen ja teilweise richtig erbitterte verbale Kämpfe bei Genderdebatten. Das finde ich sehr schade. Wo bleibt denn da die Toleranz den Andersdenkenden gegenüber? Da müssen also oft alternative Ideen her. Wenn Sie geschlechtergerecht schreiben wollen, wechseln Sie doch ab – und zwar in Aufzählungen, in Absätzen oder gar kapitelweise: Verwenden Sie mal die männliche, mal die weibliche Form. So lassen sich die Sätze so gut lesen wie „früher“.
Nun eine kleine Übung zum Schluss dieses Abschnitts, mit der ich das Beispiel von oben aufgreifen möchte. Es lautete:
„Ärztinnen und Ärzte als Inhaberinnen und Inhaber der Praxis Heilermann
mit ihren Assistentinnen und Assistenten
sind hervorragende Medizinerinnen und Mediziner und werden
von all ihren Kolleginnen und Kollegen der Stadt geschätzt.“
Wie kann man dieses ansprechender schreiben? Beispielsweise so:
„Das ganze ärztliche Team der Praxis Heilermann ist
medizinisch richtig fit. Dafür wird es von all seinen
Kolleginnen und Kollegen der Stadt geschätzt.“
Neukreationen
Haben Sie schon einmal vom Anhängsel „-y“ als Form der geschlechtsneutralen Wortschöpfung gehört oder gelesen? Es soll wohl an das Englische angelehnt sein.
„Guten Tag, darf ich mich vorstellen?
Mein Name ist Anja Becker, ich bin promoviertes Tierarzty
und arbeite als Lektory. Zu meinen Kunden zählen Medizinys.“
Das klingt in meinen Ohren sehr schräg. Und unangemessen verniedlichend. Man denke allein an Verbrechy, Attentäty … (Ich höre besser auf, weitere aufzuzählen.) Außerdem wäre damit das Singularproblem bei Personenbezeichnungen mit Umlaut immer noch nicht gelöst (Arzty/Ärzty). Momentan kann ich mir nicht vorstellen, dass sich diese Schreibweise durchsetzen wird. Aber Sprache ist ja bekanntlich im Wandel. Wer weiß, was noch kommt.
Neulich sprach ich auch mit meinem Mann über das Thema. Gerade darüber, wie schwierig es ist, „Arzt/Ärztin“ kurz und bündig zu gendern – eben wegen des Umlauts. Da meinte er: „Ganz einfach: Schreibe doch Aerzt:in. Da hast du alles drin.“ Da hat er recht! Vielleicht schafft man ja im Zuge des Fortschreitens der Weiterentwicklung der Sprache die Umlaute ab?
Zusammenfassung: Gendertabellen für Angehörige der Heilkunst
Weil nach wie vor das Gendern mit Zeichen für Personenbezeichnungen mit dem Umlaut „Ä“ besonders schwierig ist, habe ich „Arzt (m/w/d)“ mal in allen Facetten dekliniert. Und weil es so schön ist, auch gleich „Mediziner (m/w/d)“.
[Hinweis für die mobilen Userinnen und User: Die folgenden Tabellen ließen sich nicht anders gestalten, daher wirken Sie auf dem Display des Smartphones nicht so schön übersichtlich. Also am besten diesen Artikel daheim auf dem Desktop anschauen und dafür gleich den Link zu dieser Seite kopieren und per E-Mail verschicken.]
Amtliche Varianten
Ausgeschrieben
= binär (nur Männer und Frauen inbegriffen)
Singular | Plural | |
Nominativ | die Ärztin, der Arzt | die Ärztinnen, die Ärzte |
Genintiv | der Ärztin, des Arztes | der Ärztinnen, der Ärzte |
Dativ | der Ärztin, dem Arzt | den Ärztinnen, den Ärzten |
Akkusativ | die Ärztin, den Arzt | die Ärztinnen, die Ärzte |
Singular | Plural | |
Nominativ | die Medizinerin, der Mediziner | die Medizinerinnen, die Mediziner |
Genitiv | der Medizinerin, des Mediziners | der Medizinerinnen, der Mediziner |
Dativ | der Medizinerin, dem Mediziner | den Medizinerinnen, den Medizinern |
Akkusativ | die Medizinerin, den Mediziner | die Medizinerinnen, die Mediziner |
grün: funktioniert
Schrägstrich mit Ergänzungsbindestrich
= binär (nur Männer und Frauen inbegriffen)
Singular | Plural | |
Nominativ | der/-ie Ärzt/-in* | die Ärzt/-innen |
Genintiv | – | der Ärzt/-innen |
Dativ | dem/-r Ärzt/-in | den Ärzt/-innen |
Akkusativ | den/-ie Ärzt/-in | die Ärzt/-innen |
Singular | Plural | |
Nominativ | der/-ie Mediziner/-in | die Mediziner/-innen |
Genitiv | – | der Mediziner/-innen |
Dativ | dem/-r Mediziner/-in | den Mediziner/-innen |
Akkusativ | den/-ie Mediziner/-in | die Mediziner/-innen |
grün: funktioniert; orange: funktioniert nicht gut, wird aber trotzdem oft verwendet;
rot: funktioniert nicht; – : kann nicht gebildet werden.
*Ausweichen kann man auf der/die Arzt/Ärztin (für das Beispiel im Nominativ Singular), aber darauf verzichte ich an dieser Stelle, denn ich möchte ja demonstrieren, ob das Verkürzen grammatisch funktioniert.
Die kaum noch gebräuchliche Variante mit den Klammern geht bei die Kolleg(inn)en sehr gut, aber bei die Ärzt(inn)e(n) nicht wirklich. Der Singular ist nicht möglich: Kolleg(in), Ärzt(in), weil das „-e“ der männlichen Form fehlt bzw. wieder das Umlautproblem besteht.
Nicht amtliche Varianten
Schrägstrich ohne Ergänzungsbindestrich
= binär (nur Männer und Frauen inbegriffen)
Singular | Plural | |
Nominativ | der/die Ärzt/in* | die Ärzt/innen |
Genintiv | – | der Ärzt/innen |
Dativ | dem/der Ärzt/in | den Ärzt/innen |
Akkusativ | den/die Ärzt/in | die Ärzt/innen |
Singular | Plural | |
Nominativ | der/die Mediziner/in | die Mediziner/innen |
Genitiv | – | der Mediziner/innen |
Dativ | dem/der Mediziner/in | den Mediziner/innen |
Akkusativ | den/die Mediziner/in | die Mediziner/innen |
grün: funktioniert, orange: funktioniert nicht gut, wird aber trotzdem verwendet;
rot: funktioniert nicht; – : funktioniert absolut nicht.
*Ausweichen kann man auf der/die Arzt/Ärztin (für das Beispiel im Nominativ Singular), aber darauf verzichte ich an dieser Stelle, denn ich möchte ja demonstrieren, ob das Verkürzen grammatisch funktioniert.
Binnen-I
= binär (nur Frauen und Männer inbegriffen)
Singular | Plural | |
Nominativ | x ÄrztIn | die ÄrztInnen |
Genintiv | – | der ÄrztInnen |
Dativ | x ÄrztIn | den ÄrztInnen |
Akkusativ | x ÄrztIn | die ÄrztInnen |
Singular | Plural | |
Nominativ | x MedizinerIn | die MedizinerInnen |
Genitiv | – | der MedizinerInnen |
Dativ | x MedizinerIn | den MedizinerInnen |
Akkusativ | x MedizinerIn | die MedizinerInnen |
grün: funktioniert, orange: funktioniert nicht gut, wird aber trotzdem verwendet,
rot: funktioniert nicht, x/–: kann nicht gebildet werden
Genderstern & Co.
= nicht binär (alle Geschlechtsidentitäten inbegriffen)
Hier führe ich nur den Genderstern (*) auf. Die Schreibweisen für den Genderdoppelpunkt (:) und den Gendergap (_) lauten entsprechend.
Singular | Plural | |
Nominativ | der*die Ärzt*in | die Ärzt*innen |
Genintiv | – | der Ärzt*innen |
Dativ | dem*der Ärzt*in | den Ärzt*innen |
Akkusativ | den*die Ärzt*in | die Ärzt*innen |
Singular | Plural | |
Nominativ | der*die Mediziner*in | die Mediziner*innen |
Genitiv | – | der Mediziner*innen |
Dativ | dem*der Mediziner*in | den Mediziner*innen |
Akkusativ | den*die Mediziner*in | die Mediziner*innen |
grün: funktioniert; orange: funktioniert nicht gut, wird aber trotzdem oft verwendet;
rot: funktioniert nicht, –: kann nicht gebildet werden.
*Ausweichen kann man auf der*die Arzt*Ärztin (Nominativ Singular) etc., aber darauf verzichte ich an dieser Stelle, denn ich möchte ja demonstrieren, ob das Verkürzen grammatisch funktioniert.
Kreative, nicht ganz ernst gemeinte Variante
= nicht binär, alle Geschlechtsidentitäten inbegriffen
Singular | Plural | |
Nominativ | der:die Aerzt:in | die Aerzt:innen |
Genintiv | – | der Aerzt:innen |
Dativ | dem:der Aerzt:in | den Aerzt:innen |
Akkusativ | den:die Aerzt:in | die Aerzt:innen |
grau: eigene Kreation mit einer Prise Humor, –: kann nicht gebildet werden, es sei denn, man wählt die etwas längere Form des:der Arztes:Aerztin.
Nun ist er ganz schön lang geworden, dieser Artikel. Ich bin selbst etwas erschrocken darüber. Aber es ist ja auch nicht ganz einfach, sich korrekt im Hinblick auf die Geschlechter auszudrücken. Und es gibt so viele Möglichkeiten und Varianten! Damit Sie den Überblick nicht verlieren, können Sie sich gern diesen Medizin-Genderleitfaden kostenlos herunterladen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen hiermit ein wenig Hilfestellung für das Verfassen von genderneutralen Texten geben. Mehr als eine Anregung kann es aber nicht sein. Schreiben Sie mir gern, wenn Sie Anmerkungen oder Ideen haben!
Quellen
- Bundesverband der Kommunikatoren e. V., Kompendium gendersensible Sprache – Strategien zum fairen Formulieren, Bundesverband der Kommunikatoren e. V., https://bdkom.de/aktivitaeten/meldungen/gendersensible-sprache (letzter Abruf: 04.07.2021)
- Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V., https://www.dbsv.org/gendern.html (letzter Abruf: 04.07.2021)
- Duden-Ratgeber „Richtig gendern“, Bibliografisches Institut GmbH (2017)
- Duden „Handbuch geschlechtergerechte Sprache: Wie Sie angemessen und verständlich gendern“, Bibliografisches Institut GmbH (2020)
- Duden, Band 9, „Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle“, Bibliografisches Institut GmbH (2016)
- Journalistinnenbund e.V., https://www.genderleicht.de/gendern-in-leichter-sprache-anleitung (letzter Abruf: 25.10.2021)
Artikel aktualisiert am 25.10.2021
Titelbild des Ärzteblatts der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, Ausgabe Juni 2021, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion. Das zugehörige sehr lesenswerte Editorial auf S. 5 von Dr. Simone Heinemann-Meerz, Präsidentin dieser Ärztekammer, finden Sie hier.